Homage an Paul Watzlawick

Schon in den 80er Jahren war ich ein Fan von Paul Watzlawick. Ich habe seine drei Bücher gelesen und habe mich von dieser Art zu denken sehr angezogen gefühlt. Eine geistige Heimat für mich entdeckt.

Neben seinen Büchern gibt es ein paar wunderbare Videoaufnahmen von Vorträgen und Interviews mit ihm. Besonders liebe ich die kleinen amüsanten Geschichtchen, mit denen er die Absurdität und Tücken unseres Lebens aufzeigt. Diese poste ich hier mit ein paar Hinweisen zu Direktsprüngen zu den Geschichten.


Wenn die Lösung das Problem ist

Vortrag von 1987im Evangelisches Bildungswerk Stuttgart

  • Einmal erarbeitete Lösungen lassen wir nicht mehr los
  • Experiment: Wirklichkeitskonstruktion mit Zahlenpaaren (ab 12:30) / Non-contingent rewards experiment
  • Belagerung eines Schlosses (23:20)
  • Unterschiedliche Bewertung der gleichen Sachlage (31:00)
  • Die Philosophie des „als-ob“ nach Vaihinger (32:00)
  • Selbstermächtigung zur Gewalt (39:00)
  • Die Kettenreaktion des Guten (40:00)
  • Deswegen habe ich dir verziehen (41:40)



Rollen, Regeln und Prozesse adé?

In vielen Beratungen habe ich dabei geholfen, Prozesse besser zu beschreiben, Rollen genauer zu definieren und Regeln zu vereinbaren. Alles in dem Vertrauen, dass das zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit und der Produktivität führt. Und tatsächlich, wenn es vorher wenig bis gar nichts gab, hat das zu Verbesserungen geführt, weil z.B. Chaos und Intransparenz reduziert wurden, Menschen anfingen miteinander zu reden sowie ein größeres Ganzes zu sehen. In vielen Fällen jedoch stellte sich keine nachhaltige Verbesserung ein; nicht selten sogar eine Verschlechterung. Was ist da los? In diesem Blog beschäftige ich mich mit der Frage, wann, wo und wie das übliche Verständnis von Prozessen, Rollen und Regeln hilfreich und zieldienlich ist und wann wir etwas zum Teil ganz anderes brauchen.

Einstieg

Was mir inzwischen sehr bei der Lösungssuche hilft, ist eine Differenzierung hinsichtlich der Art der Wertschöpfung.

Die folgende Tabelle zeigt eine Extremfall-Betrachtung anhand drei beispielhafter Kriterien:

Wertschöpfung Typ 1Wertschöpfung Typ 2
Produkt, Ergebnis
[das WAS]
vollständig bekannt und immer gleichnicht bekannt oder ständigen Änderungen unterworfen
Wissen, Technologie
[das WIE]
ausreichend vorhandennicht vorhanden
Störungen, Überraschungentreten kaum auftreten sehr häufig auf

Im Laufe der Zeit haben mich 4 verschiedene Ansätze inspiriert:

AnsatzWertschöpfung Typ 1Wertschöpfung Typ 2
Dynamikrobuste Organisation (Gerhard Wohland)Routine/ BlauDynamik/ Rot
Ambidextrie – Exploitation/ Exploration (?)ExploitationExploration
Wertschöpfung der Norm und der Ausnahme (intrinsifyMe)Wertschöpfung der NormWertschöpfung der Ausnahme
Cynefin-Framework (Dave Snowden) / gute HandlungsorientierungSimpel (bis kompliziert)(komplex bis) chaotisch

In allen Ansätzen geht es darum, wie wir damit umgehen können, wenn wir VUCA-Bedingungen haben.

Ich verwende zurzeit am liebsten die IntrinsifyMe-Begriffe Wertschöpfung der Norm und Wertschöpfung der Ausnahme. In Darstellungen übernehme ich gern die Wohland-Farben blau und rot. Sehr hilfreich finde ich auch die unter Agilisten gern verwendete Stacey-Matrix.

Alles in allem arbeite ich zurzeit verstärkt mit dieser Darstellung:

Wertschöpfung der Norm (blau)

Wenn klar ist, was erzeugt werden soll und wenn die Abläufe in hohem Maße immer gleich und mit wenigen Störungen verlaufen, hohe Vorhersagbarkeit und wenig Überraschungen vorliegen, dann haben wir eine Wertschöpfung der Norm. Die Dinge sind simpel bis kompliziert. Wohland spricht von dem blauen Anteil der Unternehmensfunktion. Hier funktionieren die klassischen, tayloristischen Prinzipien und Praktiken excellent.

Abläufe lassen sich relativ leicht in verlässlichen Prozessen darstellen, vermitteln und genau so abarbeiten. Prozessabschnitte können festen Rollen zugeordnet werden und diese Rollen wiederum Menschen die dafür ausgebildet wurden. Dazu ein geeignetes Kennzahlen-System und immer mal wieder KVP und man hat eine gut geölte Wertschöpfungs-Maschine (so zumindest die Theorie; in der Praxis ist es dann oft doch nicht so trivial).

Das ist hervorragend, bis wir es hiermit zu tun bekommen:

Wertschöpfung der Ausnahme (rot)

Mit zunehmender Unklarheit, was erzeugt werden soll und mit abnehmender Vorhersagbarkeit und Wiederholbarkeit der notwendigen Tätigkeiten dabei, mit zunehmenden Störungen und Überraschungen, mit zunehmender Komplexität und Veränderlichkeit der Situation sowie mit hohem Maß an Mehrdeutigkeit haben wir eine Wertschöpfung der Ausnahme. Die Zusammenhänge sind komplex bis chaotisch. Wohland spricht vom lebendigen, dynamikrobusten roten Anteil einer Unternehmensfunktion. Der Übergang ist oft fließend, wechselhaft oder teils so teils so. Eine Unterscheidung und ein adäquates Reagieren darauf ist idR schwierig.

Und dann beobachten wir oft:

  • Prozesse werden immer weniger eingehalten. Regeln, Standards und Normen werden umgangen
  • Häufig wird parallel in informellen Netzwerken weiter an der Wertschöpfung gearbeitet
  • Häufig werden aber auch Zuständigkeiten von sich gewiesen oder darum gekämpft und die Schuld bei anderen gesehen (lateral, vertikal, longitudinal)

Hinzu kommen ermüdende und frustrierende Diskussionen, weil unterschiedlichste Sichtweisen und Perspektiven auf den Wertstrom unvereinbar nebeneinander stehen und nicht mal klar ist, dass es unterschiedliche Sichtweisen sind. Begriffe werden immer verschwommener und wir decken erst durch hartnäckiges Nachfragen auf, dass alle Obst sagen und die einen den konkreten Apfel, die anderen die Gesamtheit aller Früchte meinen.

Lösungsversuche sehen häufig so aus: Prozesse werden noch genauer definiert, mehr Standards, Normen und Regeln vereinbart, Rollen und Verantwortungen noch genauer definiert und voneinander abgegrenzt (Funktionsoptimierung). Disziplin wird eingefordert. Aber auch das führt oft nicht zu einer Verbesserung.

Die Verunsicherung und Anspannung zwischen den Menschen steigt; Konflikte verhärten sich. Management versucht steuernd einzugreifen, zieht sich hilflos zurück oder verheddert sich. Top-Management verliert das Vertrauen ins Gelingen und versucht durch Micromanagement zu helfen. Die Menschen sind unzufrieden, frustriert, erschöpft und das Verhältnis Wertschöpfung/Blindleistung verschlechtert sich.

Weil sich die Situation trotz intensivster Bemühungen nicht verbessert, können nur noch die Menschen mit ihrem Denken, Fühlen und Verhalten das Problem sein. Also setzt man Hoffnung  in Teambuilding-Maßnahmen und in Appelle, das Verhalten zu verändern und eine andere Kultur zu leben. In der Regel nur mit kurzem Erfolg. Die Wirklichkeit des Alltags ist stärker als jeder gute Vorsatz.

Das Problem ist, dass wir versuchen, rote Problem mit blauen Werkzeugen zu lösen.

Es ist, als würde ein Radrennprofi mit seinem Rennrad offroad gehen. Er ist mit seinem Rad und seinem Können perfekt für ein Straßenrennen (blaue Situation); es ist die Hölle für ihn, wenn er damit mit anderen zusammen dicht an dicht durch einen Wald rasen soll (rote Situation).

Warum klassische Rollen in roten Situationen nicht funktionieren

Rollen, so wie wir sie üblicherweise verwenden, mit klar definierten Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen (AKV), sind sehr blaue Praktiken. Diese können dem roten Teil der Herausforderungen und den Menschen darin nicht gerecht werden, niemals. Schauen wir etwas tiefer hinein.

  • Wir Menschen sind hochindividuelle Wesen mit sehr spezifischen Kompetenzen und Interessen. Dort und nur dort sind wir wirklich gut. Dort schöpfen wir Lebensenergie und geben Energie wieder ins System. Dort wo wir überfordert sind oder wo wir etwas tun sollen, das uns keine Freude macht, oder wo wir etwas tun sollen in dem wir keinen Sinn sehen, erleben wir Energieentzug, unsere Leistungsfähigkeit sinkt.
  • Wenn ich also eine (von irgendjemandem definierte) Rolle einnehme, in der ich Dinge, die ich gerne tun würde, nicht tun darf und Dinge tun muss, die mir nicht liegen, dann ist meine Demotivation unabwendbar. Mit Bonifizierungen wird das lediglich verzögert. Mein Unvermögen bei bestimmten Tätigkeiten und meine Demotivation vermindern meine Performance signifikant; bis dahin, dass ich krank werde.
  • Der zweite wesentliche Performanceverlust entsteht durch die Nicht-Definierbarkeit vieler Tätigkeiten, die in den Vorgängen auftauchen und notwendig werden, manchmal nur einmalig, aber mindestens jedesmal anders. Unmöglich, diese in RASI-Charts abzubilden.
  • Dann noch die Aufgaben, die von allen Beteiligten ungeliebt sind und deswegen mehr schlecht als recht bearbeitet werden.
  • Was natürlich auch in die Bilanz gehört ist der Aufwand, der notwendig ist, um die Prozesse und Rollen (immer und immer wieder) zu beschreiben und einzuführen.
  • Ach ja, beinahe vergessen: die ganzen nicht-wertschöpfenden Aktivitäten, die notwendig sind, um nachweisen zu können, dass man selber seinen Job richtig macht (und die Anderen nicht).

Ich frage mich manchmal, zu was wir imstande wären, wenn das alles nicht wäre. Ich bezeichne das gerne als „die Potenziale unseres Unternehmens“. Vermutlich würde Volkswagen raketenartig durch die Decke gehen.

Dennoch Verständnis für Rollenbefürworter

Ich diskutiere gerne über das Thema Rollen und erlebe oft, dass auf klare Definitionen bestanden wird. Mittlerweile sind mir eigene Situationen in Erinnerung gekommen, in denen auch ich diesen Reflex hatte. Was war da los? Eigentlich liebe ich es doch, wenn man im Flow miteinander ist und immer irgendjemand eine Aufgabe annimmt oder man sich die Bälle zuspielt… Das passierte bei mir immer dann, wenn jemand versuchte, unbequeme Aufgaben abzuladen und ich mich nicht gut dagegen wehren konnte. Oder die Sichtweisen auf das wie und was waren so unterschiedlich, dass ein gemeinsames Vorgehen aussichtslos erschien. Dann kam dieser Wunsch nach Abgrenzung in mir auf. Meine Vermutung ist, dass viele im Unternehmen in ähnlichen Situationen sind. Mindestens, dass sie auf jeden Fall gute Gründe haben können, Abgrenzung einzufordern.

Fokus auf Sinn, Menschen und deren Interaktionen

Komplexe Herausforderungen lassen sich nicht mit einfachen oder komplizierten Ansätzen bewältigen. Das ist eine unzulässige Übersimplifizierung der Situation mit vielen ungünstigen Auswirkungen. Was wir brauchen sind

  • Menschen mit organisch gewachsenen Kompetenzen (keine Kompetenzprofile)
  • Menschen mit intrinsischen Interessen und Visionen (keine bonifizierten Interessen)
  • Menschen, die sich intensiv mit den Zusammenhängen auseinandersetzen, nach Lösungen suchen und bereit sind, mühsam errungenes Wissen auch wieder in Frage zu stellen (keine Wissenden)
  • Menschen, die über den Wertstrom oder den Kontext hinweg stark vernetzt und in intensivem Austausch mit anderen Könnern sind (keine Abgrenzungen)
  • Menschen, die sich dynamisch zu sinnstiftenden, wertstromorientierten und vernetzten Teams zusammenschließen (keine Organisationseinheiten)
  • Menschen, die grundlegende agile Prinzipien wie Fokus, Transparenz, arbeiten in kurzen Zyklen etc. verinnerlicht haben (keine starren Rollen, Regeln und Prozess)

Verrückterweise haben wir das alles längst. Wir würden nicht mehr existieren, wenn nicht so viele Menschen genau so arbeiten würden. Allerdings unter dem Radar und unter großen Schmerzen (weil die formale Organisation hier gegen den Strich gebürstet wird) und einer dafür notwendigen hohen Intransparenz. Sie engagieren sich und setzen sich ein für das große Ganze und riskieren Unmut und Ärger.

Eine neue form der Arbeit, Wertschöpfung²

Wir sind nicht mehr in erster Linie einer Organisationseinheit und den Hierarchien verpflichtet, sondern einem WOFÜR, einem Sinn, einem Produkt, einer Wertschöpfung, einem Kunden. Das wird in einem hierarchie und OE-übergreifenden, kokreativen Prozess definiert.

Ins Geschichtsbuch gehören deswegen z.B. kaskadierte, organisationsspezifische und am Ende individuelle Zielvereinbarungen (uvm). Sie sind in einer blauen Welt vielleicht noch hilfreich, in unserer roten Welt sind sie wie eine schmerzhafter Arthrose. Was auch ins Geschichtsbuch gehört ist Macht-Distanz und die ungünstigen Folgen davon; wir arbeiten mit unterschiedlichen Kompetenzen und unterschiedlichen Perspektiven an derselben Sache.

Wenn wir (wie Google) nicht 10% sondern 10x besser werden wollen, dann geht das aus meiner Sicht nur so.

Ich glaube, dass wir auf dem Weg sind, sonst hätte ich nicht die Energie, das alles hier zu schreiben. Die Welt da draußen ist auf jeden Fall auf dem Weg!

Was mich hoffen lässt ist, dass ich in meiner Arbeit auf immer mehr Menschen und Beispiele treffe, wo dieser Samen längst gesät oder aufgegangen ist.

Mein Manifesto

Als Organisationsberater gehe ich für eine Gleichwertigkeit von
menschlichem Erfolg,
gesellschaftlichem Erfolg und
unternehmerischem Erfolg,
die alle drei untrennbar miteinander verwoben, voneinander abhängig und jeweils unverzichtbar sind.

Keines der drei kann ohne die anderen beiden existieren. Jedes Unternehmen kann zwar in Privatbesitz sein, sie sind aber nur dann überlebensfähig, wenn es gesunde, erwerbsfähige Menschen und wenn es eine gut funktionierende Gesellschaft gibt. Das gleiche gilt für die Gesellschaft, die nicht ohne die Menschen und ohne die Wirtschaft existieren kann und ebenso können die Menschen nicht ohne Gesellschaft und ohne Wirtschaft ein freies und erfolgreiches Leben führen.

Es gibt also untrennbare , gegenseitige Abhängigkeiten, aus denen man ableiten kann, dass es ebenso untrennbare, gegenseitige Verantwortlichkeiten gibt. Wenn eine der Parteien übermäßig auf Kosten der Anderen lebt und wächst, dann ist das Ausbeutung und es kommt zu einer Verzerrung des stabilen Gleichgewichts.

Es gehört also in die Strategie des Einzelnen, der Gesellschaft und der Wirtschaft, für das Wohl der beiden anderen mit zu sorgen.

Unternehmen hören deswegen auch nicht an der Werksgrenze auf. So wie die Gesellschaft dort nicht endet und der Mensch auch nicht

Aus diesen Überlegungen heraus spreche ich auch nicht mehr vom Unternehmen als eine isolierte Entität, sondern von Unternehmungen, die sich als ganzheitliche Ströme von den Leistungsempfängern (Kunden) bis zum allerletzten beteiligten Lieferanten ziehen und sowohl das Wohl Gesellschaft als auch das der Menschen mit berücksichtigen.

Als Berater habe ich immer (unter anderem) dieses Bild im Hinterkopf.

Mythos Lehmschicht

Eines der geflügelten Worte rund um das Thema Management ist Lehmschicht. Da weiß auch jeder sofort, was, oder besser noch, wer gemeint ist.

Ich habe zwar im Titel provokativ „Mythos“ geschrieben, aber eigentlich meine ich vielmehr, dass das damit zusammenhängende Erleben mit dem Wort Lehmschicht eine unselige und zutiefst unfaire Metapher bekommt. Grundsätzlich ist ja so ein Wort gar nicht negativ; eine Lehmschicht kann in einem (Öko-) System sehr nützlich sein. In unserem Kontext wird es aber gezielt negativ bis hämisch konnotiert, weil damit auch ein verstehbarer Ärger und Frust verbunden ist. So gings mir auch. Ein verletzter Teil von mir schaut so auf diese beobachtbaren Verhaltensmuster und will sie abwerten.

Interessant ist auch, dass die Betroffenen sich selbst idR gar nicht so wahrnehmen und diese Zuschreibung eher als Kränkung erleben. Im Gegenteil: sie erleben sich als äußerst aktiv in beide Richtungen.

Ettliche Jahre Change-Management-Frust und ein paar Ausbildungen weiter sehe ich es so: Die Zuschreibung so einer Negativ-Eigenschaft beruht m.E. auf einem fundamentalen Missverständnis hierarchischer Sozial-Systeme. Es rührt her von einer linear-kausalen Betrachtung der Organisation, wie sie idealtypisch verstanden wird und sich in den meisten klassischen Change-Ansätzen widerspiegelt (was einer der Gründe ist, warum diese oft scheitern).

Die dem mittleren Management zugewiesene Eigenschaft „Lehmschicht“ (gerne auch mit ä) impliziert in der Regel ja auch eine flächendeckende Aberkennung der Kompetenz oder schlichtweg Widerwille/ Verweigerung, den Willen des Top-Managements umzusetzen. Da sich das aber irritierenderweise wie ein Virus durch die gesamte westliche Industriewelt zieht müsste man eigentlich sofort ins Nachdenken kommen. Bei mir hats etwas gedauert.

Den wahrgenommenen Effekt gibt es freilich wirklich, und nicht zu knapp. Nicht umsonst geben viele Top-Manager offen oder im Stillen zu, dass ihr Einfluss auf ihre Organisation gnadenlos überschätzt wird. Und dieser Satz aus der Basis „die da oben sollen doch endlich mal …“ (durchgreifen, ruhig sein, eine Ansage machen, irgendwas vorleben, …) in der Hoffnung geäußert, dass sich darüber für sie etwas spürbar verändert ist zwar rührend, aber sinnlos. Selbst wenn die TOP- M’s täten (und einige tun ja sogar) bleibt es idR recht wirkungsarm.

Es gibt den Effekt auch in umgekehrter Richtung, und zwar bzgl. der Informationen, die nach oben fließen (sollten). Meist herrscht in den höheren Hierarchieebenen große Verblüffung darüber, dass ihnen keiner etwas erzählt. Weniger Reflektierte nehmen nicht mal das wahr. Was wiederum Einfluss auf die frustvolle (beinahe hätte ich ‚lustvolle‘ geschrieben) Zuschreibung „Lehmschicht“ hat.

Woran liegt das?

Die Verwechslung ist, wie oben schon angedeutet, dass es sich eben nicht um ein mechanistisch-lineares, triviales Hierarchie-System wie zu Henry-Fords Zeiten handelt, sondern wir es spätestens seit den 80er Jahren mit einem zunehmend sozial-komplexen, fachlich-komplexen, markt-komplexen und was-weiß-ich-nicht-noch-alles-komplexen System zu tun haben, was ja an den Unternehmensgrenzen in keinster Weise Halt macht, weder wirtschaftlich noch privat. Die größer werdende Command & Control Illusionsblase ist längst geplatzt, aber weder die Berater-Welt noch die Management-Welt will es sich wirklich und offen eingestehen. Die Konsequenz daraus wäre auch brutal: die meisten Management-Techniken und Change-Ansätze müssten wir an den Nagel der Geschichte hängen. Diese Idee z.B. , dass oben etwas Sinnstiftendes angesagt wird, was dann Ebene für Ebene bis zur Basis runtergebrochen und übersetzt wird (vielleicht mit einer Zielvereinbarungs-Systematik) ist wirklich nur noch zum Produzieren von simpler bis komplizierter Massenware tauglich.

Wir stehen „nackig“ vor den Herausforderungen unserer großen und alten, komplexen Organisationen in einer neuen Welt.

Es ist ja gar nicht so, dass die Meisten nicht längst verstanden hätten, dass sich die Dinge grundlegend verändern müssten. Aber auch hier greifen trotz allem oft sehr mechanistische Glaubenssätze wie zum Beispiel: Alle müssen mit einem neuen Mindset „ausgestattet werden“ und das erreichen wir durch Kulturprogramme, Verkündigungs-Events, Schulungen und Programme.

Meine Hypothese: Das gewünschte Mindset ist in vielen Menschen längst vorhanden, aber es bleibt in der bestehenden Organisation überwiegend unwirksam. Es schläft sozusagen und wartet sehnsüchtig auf bessere Bedingungen. Es ist, als würde man sagen: alle sollen doch jetzt mal Badekleidung anziehen während es draußen stürmt und schneit. Einige wenige Verrückte machen das sogar, aber die Mehrheit wird den Wintermantel anbehalten; aus gutem Grund.

Tatsächlich wirksam ist hingegen ein Mindset, das die persönlichen Bedürfnisse nach Sicherheit, Verbundenheit, Erfolg, Ansehen etc. nicht wesentlich gefährdet oder besser noch: bedient und beschützt (der Wintermantel). Vollständig menschlich und verstehbar. Wann immer ich das ignoriere, wandle ich in einer Traumwelt (in dem Zusammenhang könnte ich mich gleich noch über mein nächste Unwort hermachen: Komfort-Zone. Damit wird idR die Botschaft ‚Bequemlichkeit‘ transportiert, was ich in keinster Weise zutreffend noch fair finde. Die Mechanismen der Organisation sind nämlich oft so, dass der nächste Schritt aus dem sicheren Bereich eher ins Verderben führt).

Wenn man aus einer Organisation die mittlere Management-Ebene entfernen würde oder sie schlichtweg nicht mehr diese beklagte Funktion ausüben würde, dann wäre das, als würde man bei einem Auto die Stoßdämpfer ausbauen. Der Fahrer wäre fassungslos über das Fahrverhalten des Autos und die Straßenbedinungen. Er würde 1:1 jede Welle, jeden Stein, jedes Schlagloch spüren und würde automatisch merklich langsamer und achtsamer fahren. Er wäre viel mehr mit der Straße im Kontakt. Bin nicht sicher, ob ich diesen Vergleich weiter ausschmücken möchte, aber auf dieser Ebene finde ich ihn recht passend.

Noch eine Hypothese: würde man die Menschen austauschen, also Top-Manager ins Mittel-Management und umgekehrt, würde sich der Effekt nach kurzer zeit wieder einstellen. Ein Reflex der Organisation; des Systems. Eine Notwendigkeit.

Was ist denn jetzt die Lösung?

Offen gestanden wird die Anzahl meiner Antworten von Jahr zu Jahr kleiner. Mittlerweile :

Wir müssen über alle Ebenen hinweg einen transparenten und ehrlichen Diskurs darüber führen, wo das Unternehmen sich alles hin entwickeln soll(te), wie es mit welcher Geschwindigkeit dorthin kommen kann und was wir alles als nächstes dafür tun wollen.

Dann können Menschen, die bisher Unternehmensstrategie und Wertschöpfung „voreinander beschützt“ haben genau dafür gehen, diesen Diskurs zu betreiben (oder andere tolle Aufgaben wahrnehmen).

Danke für’s Lesen! Widersprüche, Ergänzungen und Anerkennung sind willkommen 🙂

Test

Test des Datums.

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