Struktur
Was ist die richtige (nächste) Struktur für ein Unternehmen? Und wie löst man dann die Probleme, die durch die neue Struktur nicht gelöst werden?
Wenn die Antworten immer wieder nach einem alten, bewährten Muster getroffen werden, kommt man am Ende auch immer wieder nur an den gleichen bekannten Punkt.
Wer etwas anderes will, muss sich von den klassischen Mustern trennen und verschiedene jeweils geeignete Strukturmuster miteinander kombinieren.
Klingt schwer, ist es auch.

Wenn Unternehmen heutzutage überleben, dann nicht weil sie stringente Strukturen, Rollen und Prozesse haben,
sondern obwohl bzw. trotzdem.
Unsere heutigen Strukturen und Prozesse sind in Zeiten und unter Bedingungen entstanden, in denen sie hilfreich und zieldienlich, und auch gar nicht anders denkbar waren. Alle spüren jedoch mittlerweile die Schmerzen, die dadurch täglich ausgelöst werden, aber wir haben das in der Regel vollständig akzeptiert. Um zu verstehen, was sich verändert hat, ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich:
Vorbetrachtungen
Im Kapitel Change führe ich eine Differenzierung von simpel bis chaotisch ein. Wenn ein Unternehmen eine einfache Wertschöpfungskette mit wiederkehrenden, wenig gestörten Vorgängen und einem stabilen Markt hat, dann ist eine traditionelle Gestaltung des Unternehmens zumindest aus wirtschaftlicher Sicht vermutlich die beste Lösung. Ob es für die Menschen auch das Beste ist, wäre zu prüfen.
Ganz anders ist es aber, wenn das Unternehmen regelmäßig verbesserte oder neue Produkte auf Basis neuer Technologien auf sich verändernde bringen muss. Dann braucht es eine sehr anpassungsfähige wertschöpfungsorientierte Organisation, in der die bisherigen dominanten Fachbereiche eine andere Rolle erhalten.
Hierfür habe ich unter Prinzipien erfolgreichen Wandels drei Grundsätze und 10 Prinzipien formuliert, die bei einer Transformation hilfreich sind. Was das für Strukturen, Rollen und Prozesse konkreter bedeutet, erläutere ich im Folgenden:
Fachbereiche werden zu Kompetenz-Zentren
Typischerweise ist ein Unternehmen nach fachlichen Funktionen gegliedert: Entwicklung, Einkauf, Produktion, Vertrieb, Finanz, Personal.
Die Zuständigkeiten, und damit die Handlungs- und Entscheidungshoheit sind eindeutig geklärt. Wer etwas nicht Reguläres aus einem anderen Bereich braucht, findet dafür entweder informelle Wege oder muss über die Hirarchie eskalieren. Das Erste ist intransparent und stark abhängig von persönlichen Netzwerken, das Zweite ist langsam und abhängig von der Beziehung des oberen Managements untereinander.
Wer etwas tut, was in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Fachbereichs gehört, bekommt in der Regel Schwierigkeiten.
Aus einer Metaperspektive des Unternehmens gibt es zudem Graubereiche, die letztendlich keiner Zuständigkeit klar zuzuordnen sind, was oft zu unternehmerischen Verlusten und Konflikten führt.
Klingt, als wären Fachsäulen nur negativ. Dem ist nicht so. Sie bringen viele Vorteile: z.B. hohe spezifische Fachlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter, ausgefeilte Tools, Prozesse und Standards. Kompetente Abarbeitung von Standardaufgaben.
Es darf also nicht darum gehen, sie abzuschaffen. Vielmehr geht es darum, sie auf genau diese Rolle zu zu schneiden, indem man sie zu Kompetenz-Zentren entwickelt, die dann in den Dienst der Wertschöpfung gestellt werden.
Prozesse werden zu Wertströmen
Das duch Fachbereiche unterteilte Unternehmen wird durch Prozesse zusammengehalten. Je wiederholbarer und ungestörter die Vorgänge im Unternehmen sind, desto starrer und eindeutiger können (und sollten) die Prozesse beschrieben und gelebt werden. Es gibt auch in hochdynamischen Unternehmen viele Dinge, die genauso am Besten gelöst werden können und sollten.
Das Dilemma heutiger Unternehmen ist, dass aus dieser positiven Erfahrung heraus versucht wird, alle Probleme damit zu lösen. Das führt zu immer ausgefeilteren und umfassenderen Prozessbeschreibungen, die einerseits kaum noch zu begreifen und erst recht nicht zu erfüllen sind, die andererseits aber auch keine ausreichende Antwort auf die immer wieder neuartigen Herausforderungen des Unternehmens bieten. Das Ergebnis ist viel Frust und Konflikt bei vielen Leuten sowie ein immer relevanter und einflussreicher werdendes informelles Netzwerk im Unternehmen und über das Unternhemen hinaus.
Man hat dann eine Selbstorganisation, die außerhalb jeglicher Kontrolle und bewusster Regulierung funktioniert. Die Aufgabe des Managements, das Unternehmen zielgerichtet zu steuern, ist damit nicht mehr erfüllbar.
Diese informellen Selbstorganisationen bilden sich immer dort, wo die formale Organisation keine Antwort auf das Notwendige liefert (an dieser Stelle erklärt sich auch die Aussage im grünen Kasten oben).
Die Lösung liegt darin, diese Wertströme, die sich von den Kundenwünschen bis zu deren Erfüllung kreuz und quer durchs Unternehmen ziehen, auf einer für alle gut verstehbaren Abstraktionsebene zu beschreiben und dann die Menschen um diese Ströme herum zu organisieren bzw. sich nach klaren Prinzipien organisieren zu lassen. Dort, wo schwierige Aufgaben miteinander gelöst werden müssen, bilden sich fachlich gemischte, selbstorganisierte Teams, die sich durch Überlappung miteinander verketten.
Rollen werden zu Expertisen
Das, was Fachbereiche und Prozesse auf der Ebene der Organisation darstellen, ist auf der individuellen Ebene oft durch starre Rollen abgebildet. Hier entstehen ähnliche Effekte wie bereits beschrieben. Klare und bekannte Zuständigkeiten bzw. Nicht-Zuständigkeiten führen unter Routine-Bedingungen zu Sicherheit und Verlässlichkeit, unter dynamischen Bedingungen jedoch zum genauen Gegenteil.
Ein weiteres Problem starrer einheitlich beschriebener Rollen ist, dass sie zwar meist gut auf die passen, die sie beschrieben haben, nicht aber auf andere Menschen. Diese leiden dann darunter, dass sie einerseits Dinge tun müssen, die sie nicht gut können und oder nicht gerne machen und andererseits Dinge, die sie gut können oder gerne machen würden, nicht machen dürfen. Ein weiterer Sargnagel für die Motivation.
Die Lösung liegt darin, mit jedem Einzelnen zu klären, was er gut kann und gerne tun oder auch lernen möchte, und ihm dabei zu helfen, einen passenden Platz im Unternehmen zu finden. Teams entscheiden dabei mit, wer ins Team passt und wer nicht.

Führung hat bei all dem die Aufgabe, als Wegbereiter,
Wegbegleiter,
Ermöglicher
und Unterstützer
wirksam zu werden,
kaum mehr jedoch als Chef.